Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,
nach einer etwas längeren Pause aufgrund der Sommerferien melde ich mich zurück mit einem Artikel, der für viele von Ihnen lesenswert sein wird, denn es geht mal wieder um eine der häufigsten Rückenerkrankungen unserer Gesellschaft: den Bandscheibenvorfall. Diesmal informiere ich Sie etwas näher zum Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule, dem Zervikalen Bandscheibenvorfall.
In meinem ersten Blogartikel konnten Sie bereits alles zum Bandscheibenvorfall LWS, an der Lendenwirbelsäule, erfahren. Der Bandscheibenvorfall ist ein verbreitetes Leiden am Rücken, und Bandscheibenvorfälle im Bereich der Halswirbelsäule sind die zweithäufigste Lokalisation, direkt nach dem Bandscheibenvorfall an der Lendenwirbelsäule.
Es betrifft immer mehr junge Leute und nach meiner persönlichen Erfahrung etwas mehr Frauen als Männer, was durch die statistischen Daten der Gesundheitsberichterstattung des Bundes bestätigt wird.*
Wie entsteht ein Bandscheibenvorfall an den Halswirbeln?
Zu Beginn eine kurze Erinnerung zur Anatomie der Wirbelsäule: Die Halswirbelsäule besteht aus sieben Wirbeln und die einzelnen Wirbel werden von oben nach unten durchnummeriert. Die erste Bandscheibe liegt allerdings erst zwischen dem zweiten und dritten Halswirbel.
Die ersten beiden Halswirbel werden als Atlas (C1) und Axis (C2) bezeichnet und haben eine enorme Wichtigkeit für die Beweglichkeit des Kopfes und der oberen Halswirbelsäule. Zwischen diesen beiden Wirbeln befindet sich keine Bandscheibe.
Lesen Sie gerne mehr in meinen ausführlichen Erläuterungen zum Aufbau der Wirbelsäule auf meiner Webseite.
Die Ursache für einen Bandscheibenvorfall ist der Bandscheibenverschleiß, der verschiedene Gründe haben kann, in den meisten Fällen aber mit einer Fehlhaltung einhergeht. Mehr zum Entstehen des Bandscheibenvorfalls erfahren Sie auf den entsprechenden Seiten zur Erkrankung sowie in dem Blogartikel zum Bandscheibenvorfall LWS.
Wie äußert sich ein zervikaler Bandscheibenvorfall?
Der zervikale Bandscheibenvorfall, also der Bandscheibenvorfall an den Halswirbeln, kann sich durch verschieden starke und lokalisierte Schmerzen oder Missempfindungen ankündigen.
Erkennen Sie die Bandscheibenvorfall Symptome beim Bandscheibenvorfall HWS
Es fängt meistens mit recht starken Nackenschmerzen und Hinterhauptschmerzen an. Die Schmerzen strahlen anschließend im Bereich der Schulter auf die entsprechende Seite aus und viele Patienten klagen auch über Schmerzen im Bereich der unteren Schulterblätter.
Als nächstes kommt meistens eine Ausstrahlung der Schmerzen in den entsprechenden Arm im Sinne einer Brachialgie (aus dem Griechischen für „Arm“ und „Schmerzen“) und, je nach Ausprägung des Befundes, Kribbeln und Missempfindungen in den entsprechenden Nervenversorgungsbereichen. Im schlimmsten Fall können auch muskuläre Schwächen im Sinne von Lähmungen (Paresen) auftauchen.
Die Schmerzen sind teilweise sehr unangenehm, die Patientinnen und Patienten stellen sich in den meisten Fällen nach zwei bis drei Tagen aufgrund der starken Beschwerden bei mir vor.
Kribbeln in den Armen – Muss ich gleich zum Arzt?
Inwieweit eine rasche Vorstellung beim Arzt ratsam ist, hängt immer auch von der Intensität und Art der Beschwerden ab. Nicht jedes einmalige Kribbeln in den Armen bedeutet einen ernsthaften Bandscheibenvorfall an der Halwirbelsäule. Spätestens wenn Sie andauernde Lähmungserscheinungen oder Störungen in der Motorik der Arme wahrnehmen, sollten Sie jedoch relativ schnell einen spezialisierten Arzt, im besten Fall einen Neurochirurgen aufsuchen.
Diagnose des zervikalen Bandscheibenvorfalls
Nach einer gründlichen neurologischen Untersuchung wird zunächst die Ausprägung der, wenn vorhandenen, neurologischen Störungen festgestellt. Anschließend wird die Beweglichkeit der Halswirbelsäule untersucht und festgestellt, inwieweit sogenannte „Schmerztriggerpunkte“ vorliegen.
Auf der Basis dieser manuell durchgeführten ärztlichen Untersuchungen, hat der Facharzt bereits eine begründete Vermutung, wo der Bandscheibenvorfall liegen könnte.
Der Verdacht wird anhand einer anschließend durchgeführten Kernspintomografie der Halswirbelsäule, die als goldener Standard angesehen werden muss, bestätigt oder gegebenenfalls korrigiert.
In den Bildern der Magnetresonanztomographie kann ganz genau nicht nur die Höhe der Pathologie, sondern auch die Ausprägung des zervikalen Bandscheibenvorfalls abgelesen werden. Auch wird deutlich, wie stark das Rückenmark und die abgehenden Nervenwurzeln bereits von dem Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule beeinträchtigt sind.
Ein Röntgenbild liefert zusätzliche Informationen über die Statik der Halswirbelsäule sowie knöcherne Veränderungen im Sinne von Knochenanbauten (Osteophyten, Spondylophyten).
Behandlung des Bandscheibenvorfalls HWS – mit oder ohne Operation?
Wenn es die klinische Symptomatik der Patientin oder des Patienten erlaubt, wird so gut wie immer zunächst konservativ behandelt. Dass Sie nicht sofort in den Operationssaal müssen, werden Sie als Leser sicher mit Erleichterung aufnehmen.
Teil einer konservativen Therapie sind zum Beispiel Infusionen mit starken Analgetika sowie Kortikoiden zur Schmerzlinderung und Abschwellung der nervalen Strukturen. Eine relative Ruhe sowie Vermeidung von körperlichen Anstrengungen wirkt meistens ebenfalls positiv. Auf diese Weise ist die akute Phase in den meisten Fällen nach ca. 48 bis 72 Stunden gut zu beherrschen.
Anschließend wird ein etwas langfristiger konservativer Therapieplan erarbeitet, der in den meisten Fällen sogenannte periradikuläre Infiltrationen beinhaltet, also die lokale Darreichung von Kortikoiden unter CT- oder Bildwandlersicht in der Nähe der „beleidigten“ Nervenwurzel.
Zusätzlich, und sobald die akuten Schmerzen kontrolliert sind, folgt ein entsprechender physiotherapeutischer Übungsplan mit dem Ziel, die tiefgelegenen, direkt an der Wirbelsäule haftenden Muskeln zu stärken und gleichzeitig die oberflächlichen Schichten zu entspannen.
Man spricht also von einer Kombination von tonisierenden sowie detonisierenden Maßnahmen. Das Programm sollte für mindestens fünf bis sechs Wochen, zwei- bis dreimal wöchentlich durchgeführt werden. Dies sollte in den meisten Fällen reichen, um die Beschwerden der Patientin oder des Patienten komplett verschwinden zu lassen.
Ein wirkungsvoller Muskelaufbau im Rücken und im Brustbereich ist neben regelmäßiger und abwechslungsreicher Bewegung übrigens die beste Methode, wie Sie einem Bandscheibenvorfall vorbeugen. Lassen Sie sich in einer Rückenschule, von Ihrem Arzt oder Physiotherapeuten zu geeigneten Trainingsmaßnahmen beraten.
Operation beim zervikalen Bandscheibenvorfall
In jenen Fällen, in denen die Betroffenen auch weiterhin unter Beschwerden leiden, ist bei einem klaren Befund durchaus die Indikation zur Dekompression (Erweiterung) des Spinalkanal von vorne und entweder die Implantation eines Käfigs (Cage) oder eine sogenannte zervikale Arthroplastie, in der man einen kompletten Bandscheibenersatz betreibt, angemessen.
So wird die Ursache der Schmerzen, also die auf den Nervenkanal drückende Bandscheibe operativ entfernt und den Nerven im Spinalkanal wieder ausreichend Platz geschaffen.
In seltenen Fällen, wie zum Beispiel bei seitlich gelegenen Befunden, wird ein Bandscheibenvorfall am Halswirbel auch von hinten (dorsal) operiert.
Eine Operation des zervikalen Bandscheibenvorfalls wird vom erfahrenen Arzt erst dann eingebracht, wenn von einer konservativen Therapie kein Erfolg erwartet werden kann. In ernsten Fällen, wenn also ein zervikaler Bandscheibenvorfall von einem kleinen Bandscheibenvorfall (also einer Bandscheibenvorwölbung) bereits zu einem großen, medianen Bandscheibenvorfall voran geschritten ist, ist eine rasche operative Behandlung in der Regel nicht zu vermeiden.
Gerne berate ich Sie unverbindlich und persönlich zu den angemessenen Therapiemaßnahmen bei einem Bandscheibenvorfall an der Halswirbelsäule oder anderen Erkrankungen an der Wirbelsäule und bei Rückenschmerzen.
Vielen herzlichen Dank fürs Lesen!
Ihr Dr. med. Charilaos Christopoulos
Chefarzt für Wirbelsäulenchirurgie, OTHOPARC Klinik GmbH, Köln
* Anmerkung: In den statistischen Daten zum zervikalen Bandscheibenvorfall nach Behandlungsort wird zum Beispiel deutlich, dass im Jahr 2015 13.958 Männer und 15.696 Frauen Bandscheibenschäden an der Halswirbelsäule erlitten. Der Anteil der betroffenen Frauen ist demnach deutlich stärker steigend, denn im Jahr 2000 lag die Anzahl der von zervikalen Bandscheibenschäden betroffenen Frauen noch unter der der männlichen Patienten (11.196 Männer und 10.264 Frauen).
Quelle: Informationssystem der Gesundheitsberichterstattung des Bundes: Diagnosedaten der Krankenhäuser ab 2000 zum zervikalen Bandscheibenvorfall (Fälle, Berechnungs- und Belegungstage, durchschnittliche Verweildauer). Gliederungsmerkmale: Jahre, Behandlungsort, Alter, Geschlecht, Verweildauer, ICD10-4-Steller