Liebe Leserinnen und Leser,
die lumbale Spinalkanalstenose ist eine häufige Erkrankung des älteren Menschen als Folge degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule. In diesem Artikel soll diskutiert werden, inwiefern eine alleinige Dekompression des Spinalkanals ausreicht, um die Schmerzen bei Spinalkanalstenose im Rücken zu lindern.

Ich möchte auf die Einzelheiten der Spinalkanalstenose nicht eingehen, dazu ist bereits Vieles geschrieben und veröffentlicht worden. Auch über die Behandlung der lumbalen Spinalkanalstenose generell wurde mehrmals berichtet. Weitere Information finden Sie auch auf der Seite zur Spinalkanalstenose.

Schmerzen bei Spinalkanalstenose

Das klinische Beschwerdebild bei einer lumbalen Spinalkanalstenose wird typischerweise geprägt durch einen tief lumbalen Rückenschmerz mit belastungsabhängiger Schmerzausstrahlung in die unteren Extremitäten (Claudicatio-Symptomatik).

Was ist die claudicatio spinalis?

Als claudicatio spinalis werden die Schmerzen im Bein, verursacht durch eine Spinalkanalstenose, bezeichnet. Diese ist zu unterscheiden von einer vaskulären claudicatio, bei der die Gefäße für eine mangelnde Durchblutung der Beine verantwortlich sind.

Das Resultat einer Verengung des Spinalkanals in der Lendenwirbelsäule ist also die claudicatio spinalis. Typischerweise empfinden die Betroffenen beim Gehen, nicht jedoch etwa beim Sitzen oder im Liegen, Schmerzen oder eine starke Schwäche in den Beinen, die das Weitergehen behindern. Dabei ist die schmerzfreie Gehstrecke, je nach Ausmaß der Stenose, bildmorphologisch und die Beschwerden des Patienten unterschiedlich. In der Regel werden jedoch die Schmerzen bei der Claudicatio-Symptomatik mit zunehmender Verengung des Spinalkanals stärker und die schmerzfreie Gehstrecke entsprechend kürzer.

Wirkung der Dekompression des Spinalkanals auf die Schmerzen

Die Caludicatio-Symptomatik, also die Linderung der Beinbeschwerden, durch die operative lumbale Dekompression verschwindet in der Regel fast vollständig nach der OP, dies wird in der Literatur bereits sehr gut beschrieben.
Ich möchte jedoch gezielt auf den Stellenwert der Rückenschmerzen bezüglich der Wahl der operativen Behandlung blicken.

Rückenschmerzen nach OP bei Spinalkanalstenose

Die Wirkung der Operation auf Rückenschmerzen wird seit Jahren kontrovers diskutiert.

Einige Autoren glauben, dass die Linderung von Rückenschmerzen nicht unbedingt zu erwarten wäre nach einer Dekompressionsoperation. Deshalb werden diese Patienten in den entsprechenden Segmenten nicht nur dekomprimiert sondern auch stabilisiert (Spondylodese).

Risiko: Anschlussdegeneration nach Spondylodese

Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass jede Spondylodese (Wirbelsäulenversteifung) früher oder später Anschlussinstabilitäten nach sich zieht. Aufgrund der Versteifung bestimmter Segmente, verschleißen die benachbarten Wirbel schneller und es entwickeln sich neue Instabilitäten ehemals gesunder Wirbel.
Bei der Operation einer Spinalkanalstenose sollte also sorgsam abgewogen werden, welchen Vorteil eine zusätzliche Spondylodese dem Patienten bringt. Denn es handelt sich nicht um Patienten, die zusätzlich zu der Stenose Instabilitäten und/oder ausgeprägte skoliotische Fehlstellungen nachweisen. Es handelt sich um Patienten, die eine klassische Spinalkanalstenose in einem oder mehreren Segmenten aufweisen.

Lumbale Dekompression lindert auch Rückenschmerzen

Verschiedene Studien, vorwiegend aus dem asiatischen Raum, konnten allerdings trotz der kurzen follow up-Zeit von knapp einem Jahr nachweisen, dass eine reine Dekompressionsoperation nicht nur zu einer Besserung der Beinbeschwerden sondern auch zu einer erheblichen Besserung der Rückenschmerzen führte. Auch andere Studien aus Nordeuropa konnten dies bestätigen.

Rückenschmerzen nach Dekompression des SpinalkanalsDennoch weisen diese Studien, wie fast jede Studie, Schwächen auf.
Zum Einen ist die Nachverfolgungszeit (follow up-Zeit) der Patienten mit ca. 12 Monaten relativ kurz. Man behauptet, dass die Patienten Monate nach der Dekompression erst Recht Rückenschmerzen bekommen, da die Dekompression ggf. zur postoperativen Instabilität führen könne. Andererseits fällt auf, dass die Operateure teilweise unterschiedliche Techniken verwendet haben, um den Spinalkanal zu dekomprimieren.

Das am meisten verwendete (Standardverfahren) in Deutschland ist die beidseitige Dekompression über einen einseitigen Zugang (Over the top oder cross over Technik). Dieses Verfahren führt sehr wahrscheinlich zu einer weiteren Reduktion des postoperativen Rückenschmerzens durch die komplette Schonung der paravertebralen Rückenmuskulatur. Auch ich kann aus meinem klinischen Alltag diese Erfahrungen und die Ergebnisse der Studien bestätigen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass ein Dekompressionseingriff nicht nur die Funktionseinschränkungen und die begleitenden Beinschmerzen lindert, sondern auch die Rückenbeschwerden von Patientinnen und Patienten mit einer lumbalen Spinalkanalstenose. Dies gilt auch für jene mit initial unerträglichen Rückenschmerzen. Ein Stabilisierungseingriff ist in solchen Fällen nicht erforderlich.
 
Bleiben Sie gesund,
Ihr Dr. Christopoulos

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