Liebe Leserin und Leser,
Nach dieser etwas längeren Pause melde ich mich wieder mit einem Beitrag über eine Bandscheibenoperation aus meiner Praxis. Das Coronavirus ändert zwar gerade unsere komplette Denk- und Arbeitsweise, nichtsdestotrotz wird Medizin jetzt erst recht praktiziert. Und damit nicht der Eindruck entsteht, dass in meinem Beruf alles nur schön ist und glatt verläuft, wollte ich Ihnen heute einen Fall aus meiner klinischen Tätigkeit vorstellen, bei dem der Verlauf etwas abenteuerlich war.
Bandscheibenoperation des 86-jährigen Patienten
Aufgrund der demografischen Entwicklung in den Industrienationen dieser Welt, ist eine deutliche Zunahme an älteren Menschen zu verzeichnen. Diese sind relativ fit oder möchten diese Fitness möglichst bis ins hohe Alter bewahren. Somit hat sich auch das Durchschnittsalter unserer Patienten wesentlich nach oben verschoben. In meiner Sprechstunde begrüße ich regelmäßig Patienten zwischen 70 und 90 Jahren, die aufgrund ihrer Problematik durchaus einer Operation mit Erfolgsaussichten recht aufgeschlossen sind.
So kam der 86-jährige Patient im Herbst letzten Jahres mit massiven, akuten Rücken- und Beinschmerzen auf der rechten Seite in meine Sprechstunde. Die Schmerzen waren so stark, dass der sonst fitte Patient, sich kaum noch bewegen konnte. Das Kernspintomogramm der Lendenwirbelsäule zeigte eine massive Enge sowie einen frischen Bandscheibenvorfall im vorletzten Bandscheibensegment auf der rechten Seite an. Die Diagnose spiegelte die Beschwerden des Patienten eindeutig wieder. Aufgrund des extrem hohen Leidensdruckes bot ich meinem Patienten eine Bandscheibenoperation an.
Bei der Bandscheibenoperation handelt es sich um einen minimal-invasiven Eingriff. Dabei wird der Nervenkanal erweitert und der “Übeltäter”, also der Bandscheibenvorfall entfernt.
Nachdem dem Patienten alle verfügbaren Optionen dargestellt wurden, war der Patient schließlich aufgrund seiner großen Beschwerden damit einverstanden eine Operation durchzuführen. Selbstverständlich wurde der Herr vor dem Eingriff, von unseren Anästhesisten klinisch gecheckt. Außer den üblichen Erkrankungen, unter welchen viele Menschen in diesen Lebensjahren leiden (Bluthochdruck, erhöhte Fettwerte im Blut, leichtes Übergewicht etc.) war der Patient in guter Gesundheit. Somit war ihm eine Vollnarkose zuzumuten.
Der weitere Verlauf nach der Bandscheibenoperation
Die Operation verlief problemlos und der Patient konnte nahezu beschwerdefrei, bereits nach zwei Tagen die Klinik verlassen. Bei der Nachuntersuchung ca. drei Wochen nach der Operation war ebenfalls alles soweit in Ordnung. Anschließend wurde der Patient in ambulante physiotherapeutische Behandlung entlassen. Alles verlief nach regulärem Plan, so wie es sollte.
Nur knapp erneute drei Wochen später, also insgesamt sechs Wochen nach dem Eingriff kehrte der Patient mit massiven Rückenschmerzen in meine Praxis zurück. Klinisch-neurologisch wies der Herr keine Auffälligkeiten auf. In den Blutuntersuchungen zeigte sich allerdings doch eine mäßige Erhöhung der Entzündungsparameter (weiße Blutkörperchen sowie der sogenannte CRP-Wert, CRP steht dabei für C-reaktives Protein). Ich entschied mich deshalb für ein erneutes Kernspintomogramm. Bei Verdacht auf Infekte im Operationsbereich, wird bei MRT-Aufnahmen zusätzlich Kontrastmittel intravenös verabreicht, um im Falle einer Infektion diese besser sehen zu können.
Im Operationsbereich des 86-jährigen Patienten zeigte sich eine beginnende Infektion, sodass ich die Indikation zu einem erneuten Eingriff stellte. Dabei ist es von Bedeutung im Infektionsbereich Abstriche durchzuführen, um einen möglichen Keim zu finden. Auf Basis des gefunden Keimes wird dann, die antibiotische Behandlung durchgeführt. Bei fortgeschrittenen Infektionen mit Nachweis auf eitriges Material im Nervenkanal oder Instabilitäten der Wirbelsegmente erfolgt gegebenenfalls eine Versteifungsoperation. Hier war dies jedoch nicht der Fall.
Somit führte ich eine zweite Operation durch. In dem durchgeführten Abstrich konnte ein Bakterium identifiziert werden, was für eine beginnende Infektion sprach. Der Patient wurde somit schließlich 2 Wochen mit i. v.-Antibiose behandelt. Danach folgte eine Antibiotikatherapie oral für weitere 8 Wochen. Die Dauer der Behandlung wird in den meisten Fällen von unseren Fachgesellschaften vorgegeben und die Entzündungsparameter wurden wöchentlich kontrolliert. Aufgrund der Gesamtsituation und der langen Bettlägerigkeit kam es im häuslichen Milieu zusätzlich zu einer Thrombose, welche ebenfalls fachärztlich behandelt wurde.
Ein halbes Jahr nach den Eingriffen
Es ist mittlerweile gut ein halbes Jahr her, seit die zweite Operation vorgenommen wurde. Der Patient war letzte Woche in der Sprechstunde und gab ein relatives Wohlbefinden an, wenn man bedenkt durch was alles, der 86-jährige Mann in den letzten Monaten durchgehen musste. Der Patient ist wieder selbstständig mobil, ist in ambulanter physiotherapeutischer Behandlung und nimmt auch keine Schmerzmittel mehr. Somit ist er auf gutem Weg zu seiner alten Fitness, die er vor dieser ganzen Geschichte hatte.
Nun wird sich der eine oder andere fragen, warum dieser Fall ein so besonderer ist? So etwas kann passieren, wird passieren und kann auch bei jüngeren Patienten durchaus vorkommen. Es bleibt leider nicht ausgeschlossen und je länger man in meinem Berufsfeld ist, desto häufiger wird von solchen Fällen berichtet. Mit diesem Einblick in die Praxis wollte ich zum Ausdruck bringen, was mein “alter” Chef immer gesagt hatte:
Pass bitte auf die älteren Patienten auf!
Ich möchte damit zeigen, dass wir trotz des ganzen technischen Fortschritts, den wir vor allem gerade in Deutschland genießen dürfen, das Risiko bei älteren Patienten ganz anders bewerten müssen.
Ich bedanke mich für Ihre Zeit. Bitte bleiben Sie in diesen schwierigen Zeiten gesund und selbstverständlich, stehe ich Ihnen für Rückfragen gerne zur Verfügung.
Ihr Dr. Christopoulos