Lieber Leserinnen und Leser,

heute soll es um minimalinvasive Eingriffe bei Wirbelsäulenerkrankungen gehen. Sicherlich haben Sie den Begriff schon einmal gehört, wenn sie sich mit Operationsmethoden in der Wirbelsäulenchirurgie, oder auch in anderen Bereichen der Medizin, beschäftigt haben.
Aber was bedeutet „minimalinvasiv“ eigentlich genau? Und wo liegt der Unterschied zu traditionellen Operationsmethoden oder zu nicht invasiven Therapiemethoden?

Ich möchte Ihnen anhand dieses Blog-Artikels erläutern, was heute unter dem Begriff minimalinvasiv verstanden wird, Ihnen etwas zur Geschichte der „minimalinvasiven Chirurgie“ erzählen und anhand einiger Beispiele aus der Wirbelsäulenchirurgie auf die Vorteile und Nachteile minimalinvasiver Technologien eingehen.

Was bedeutet minimalinvasiv?

Invasiv bedeutet eindringend, eingreifend; minimal invasiv bedeutet wörtlich also etwa: möglichst gering eindringend, im Fall der Medizin in den Körper des Patienten oder der Patientin bzw. in deren Gewebe.

Unter minimalinvasiv verstehen wir in der Wirbelsäulenchirurgie Operationsmethoden und Diagnoseverfahren, die mit kleinsten Zugänge unter Berücksichtigung und Schonung der lasttragenden Strukturen und der Stabilität der Wirbelsäule arbeiten. In der Wirbelsäulenchirurgie sind mit „lastragende Strukturen“ die Muskeln, Bänder und Wirbelgelenke gemeint, die also bei minimalinvasiv durchgeführten Eingriffen möglichst wenig verletzt oder in Mitleidenschaft gezogen werden.

Außerdem wichtig ist die Hautschnittlänge, die jedoch nicht entscheidend ist für die Frage, ob eine OP-Methode als minimalinvasiv bezeichnet wird oder nicht.

Wo liegt der Unterschied zwischen minimalinvasiven OP-Techniken und konventionellen oder nicht invasiven Therapien und Operationsmethoden?

Gemäß der Wortbedeutung werden, im Gegensatz zu minimal invasiven, mit nicht invasiven Behandlungen natürlich Therapieformen bezeichnet, die nicht in den Körper des Patienten oder der Patientin eingreifen. Das sind bei Wirbelsäulenerkrankungen zum Beispiel die konservativen Therapieformen wie Krankengymnastik, Manuelle Therapie, sowie physikalische Maßnahmen (z. B. Wärmeanwendung, Massagen, etc.). Die verschiedenen Injektionstechniken sowie die sogenannte „Verödung“ oder „Vereisung“ der Wirbelgelenke gehören zwar zur konservativen Therapie, sind jedoch trotzdem als minimalinvasive Behandlungen anzusehen, da sie ebenfalls einen Eingriff in den Körper beinhalten.

Operationssaal bei einem Neurochirurgen

Vor der Entwicklung minimalinvasiver Technologien in der Chirurgie, waren Operationen häufig mit enorm großen Wunden und Verletzungen am umliegenden Gewebe verbunden. Auch heute werden nicht überall minimalinvasive OP-Techniken angewandt. Dies kann einerseits darin begründet sein, dass der Operateur mit minimalinvasiven Methoden wenig Erfahrung hat. Andererseits sind auch nicht für alle Indikationen minimalinvasive Eingriffe geeignet.

Bei konventionellen chirurgischen Eingriffen muss der Chirurg das umliegende Gewebe und den Körper der Patientin oder des Patientin in der Regel umso stärker schädigen, je ausgedehnter die Pathologie (die zu behandelnde Erkrankung) ist.

Doch wie haben sich minimalinvasive Technologien entwickelt und was sind ihre weiteren Vorteile?

Entstehung minimalinvasiver Technologien in der Medizin

Der Begriff minimalinvasive Chirurgie wurde zunächst zu einem Synonym für alle chirurgischen Verfahren, welche einen endoskopischen Zugang zu einer Körperhöhle oder einem Gelenk verwenden.

Der Begriff Endoskop leitet sich von den griechischen Worten „ἔνδον“ [éndon] = „innen“ und „σκοπεῖν“ [skopein] = „beobachten“ ab. Bezeichnet werden damit technische Hilfsmittel, die es ermöglichen, über einen sehr kleinen Zugang Bilder aus dem Inneren des Körpers zu übermitteln.

Diagnostisch wurden endoskopische Verfahren bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts eingesetzt, wobei das erste starre Endoskop bereits im Jahr 1806 vom Arzt Philipp Bozzini in Frankfurt entwickelt wurde.

Bis die Technik auch chirurgisch angewandt wurde, dauerte es allerdings bis Anfang der 1970er Jahre.

Minimalinvasive Technologien bei Wirbelsäulenerkrankungen

In der Wirbelsäulenchirurgie wird der Begriff minimalinvasiv sehr viel umfassender verwendet und bezeichnet von den Injektionstechniken über perkutane endoskopische bis zu mikrochirurgischen offenen Verfahren eine große Bandbreite von Techniken und Methoden.

Sie sehen, es handelt sich bei minimalinvasiven Verfahren in der Wirbelsäulenchirurgie also weniger um eine spezifische chirurgische Zugangsart, sondern eher um eine Philosophie.

Ihr Ziel ist es, die zugrunde liegende Pathologie darzustellen und eine therapeutische Intervention durchzuführen, ohne dabei das benachbarte gesunde Gewebe zu zerstören oder es zumindest maximal zu schonen. So erreicht man eine Gewebeschonung nicht nur an der Oberfläche durch den kleinen Zugang, sondern auch in der Tiefe.

Gibt es neben den Vorteilen auch Nachteile bei minimalinvasiven Eingriffen?

Die Vorteile dieser Techniken sind bereits länger bekannt und bestehen insbesondere in der Verminderung des postoperativen Schmerzes, verbesserter und beschleunigter Heilung, verbesserten kosmetischen Ergebnissen durch kleine Hautschnitte und Verkürzung des Krankenhausaufenthaltes.

Es gibt allerdings auch Nachteile der Technik, auch wenn die Vorteile klar überwiegen.

Als nachteilig zu erwähnen, ist zum Beispiel bei den endoskopischen Verfahren die eingeschränkte Tiefenwahrnehmung auf den Videomonitoren, die durch die zweidimensionale Darstellung entsteht, sowie das fehlende Tastgefühl beim behandelnden Arzt.

Eine steile Lernkurve und die Notwendigkeit, entsprechende Instrumente anzuschaffen, sind weitere, für alle diese Techniken einschränkende Faktoren. Für erfolgreiche minimalinvasive Eingriffe spielt es eine große Rolle, dass die Chirurgen sich mit dem entsprechenden Training die nötige Erfahrung aneignen. Da dies effektiv nur am menschlichen Körper erfolgen kann, muss der Lernprozess des Chirurgen entsprechend schnell erfolgen.

Beispiele für minimalinvasive Eingriffe in der Wirbelsäulenchirurgie

Bei den dorsalen (rückenseits gelegenen) Zugängen an der Wirbelsäule stehen verschiedene endoskopische Verfahren sowie offene mikrochirurgische zur Verfügung.

Die Vorteile der Endoskopie liegen in noch kleineren Zugängen als bei den offenen mikrochirurgischen.

Der Nachteil ist die bereits erwähnte, am Anfang sehr flache Lernkurve des Operateurs und die Tatsache, dass man auf diese Weise nicht alle Pathologien an der Wirbelsäule erreichen kann. Erschwerend hinzukommen die zweidimensionale Sicht und das fehlende direkte Tastgefühl für den operierenden Chirurgen.

Die mikrochirurgischen offenen dorsalen Verfahren entsprechen weiterhin dem Goldstandard. Als Goldstandard wird in der Medizin das zurzeit allgemein anerkannte Handeln bezüglich einer Krankheit bezeichnet, der allgemeingültige und maßgebende Standard also. Er bildet den Grundstock, an dem sich jedes neue Verfahren messen muss.

Da das zu behandelnde Areal bei Eingriffen ohne Endoskop direkt offen liegt, kann man dreidimensional jegliche Pathologien sicher und unter besten Licht- und Sichtverhältnissen erreichen und beseitigen. Durch entsprechende spreizbare Systeme mit integrierten Lichtquellen sind die Zugänge noch kleiner geworden.

Spondylolisthesis Behandlung auf Röntgenbild

Perkutane Spondylodese als minimalinvasiver Eingriff

Spreizbare Tuben und kanülierte Instrumente sowie Schrauben berühren mittlerweile auch die perkutanen Spondylodesen.
Über sehr kleine Stichinzisionen und spreizbare Tuben unter Röntgensicht, in schwierigen Fällen teils auch unter Navigationshilfe, können sicher die Schrauben in den entsprechenden Wirbelkörpern platziert werden. Dadurch bleibt die paravertebrale, also die neben den Wirbeln liegende und für die Stabilität sehr wichtige Muskulatur nahezu unberührt.

Auch hier liegen die Vorteile klar auf der Hand: Schnelle Mobilisation, geringes postoperatives Trauma und dadurch kürzere Krankenhausaufenthalte und rasche Genesung.

Schonende Behandlung an der Wirbelsäule dank technischem Fortschritt

Durch die technischen Errungenschaften ist die Wirbelsäulenchirurgie mittlerweile viel weiter als vor 20 Jahren. Ich kann mich noch erinnern, wie mein erster Chef Anfang der 90er Jahre seine Bandscheiben mit Lupenbrille operierte. Die operativen Zugänge waren deutlich größer sowie traumatischer, die Ergebnisse nicht unbedingt schlechter.

Minimalinvasive Eingriffe an der Wirbelsäule sind heute dank der technischen Innovationen sowie der allgemeinen Fortschritte in der Medizin zum Standard geworden. Dies kommt vor allem auch älteren, an mehrfachen Erkrankungen leidenden Patientinnen und Patienten zugute, die dadurch schneller und schonend behandelt werden können.

Sollten Sie weitere Fragen zu minimalinvasiven und mikrochirurgischen Vorgehensweisen in der Wirbelsäulenchirurgie haben, stehe ich Ihnen für Fragen und Anregungen jederzeit auch in einem persönlichen Gespräch zur Verfügung.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit,

Ihr Dr. med. Charilaos Christopoulos
Chefarzt für Wirbelsäulenchirurgie, OTHOPARC Klinik GmbH, Köln

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